Die Katzen pfeifen es vom Dach: Hier sind ein paar Schrauben locker. Nein, es geht nicht um die Hobbyheimwerker mit staatlicher Zulassung beim Deutschen Musikrat. Denn das Musikleben ist medienträchtig längst den Kinderschuhen amtlicher Musikräte entwachsen. Mindestens acht Millionen Menschen suchen eben nicht den Deutschen Musikrat sondern Deutschlands Superstar. Freilich ist auch dies eine Bankrott-Veranstaltung.
Diese moderne Form von „Jugend übt“ ist das pervertierte Selbstbild der gegenwärtigen Doppellasterhaftigkeitsapotheose einer „Geiz-ist-geil”-Gesellschaft. Man geizt hier nicht mit Reizen aber mit Gefühl. Da können Tränen noch so laufen, wenn bei dem Ausscheidungs-Spiel (aus dem kulturellen After) immer wieder jemand vom Publikum ausgekotzt wird und hernach die übrig gebliebenen Medienopfer vor Freude richtig traurig sich angeblich in den Arm nehmen.
Ausscheidungs-Spiel
Unterdessen: Daniel L. (Zusammenbruch nach Publikums-Ausscheidung) und Daniel K. (Drohungen wegen Nochdabeiseins), andere werden bald im Zeitschriftenwald verbrannt werden. Nur Judith hatte einen Rest von Selbstbewusstsein, als sie freiwillig das Spektakel verließ. Obwohl Daniel K. angeblich festzustellen meinte, sie hätte sonst ihr letztes Lied ohnehin versemmelt. Na da schau an, wie menschlich und wie lieb sind sie, alle unsere mittlerweile notariell beglaubigten Superstars, die von nicht-notariell beglaubigten Ex-Juroren-Kommentatoren („aber sie trifft doch die Töne, Mietze-Schnuckelchen“) und sprachlich gänzlich bis in den Unterleib dekolltierten Moderatoren zugesabbelt werden. Deutschlands aktueller Musikrat Dieter Bohlen sieht diesen Showraum sogar als eine gelungene Form des Sozialismus, worauf im ZDF-Politbarometer der Stimmanteil der PDS auf sagenhafte 22 Prozent geschnellt ist. So konstituiert sich inmitten unseres Kulturwunderlandes eine „Achse des Blöden.” Aber das alles hat rein gar nichts, aber wirklich null mit dem Deutschen Musikrat zu tun, wirklich nicht.
Zuerst erschienen in der nmz 2003/02