Seine erste Gruppe gründete Manfred Schoof 1965; diese war maßgeblich an der Entwicklung des Free Jazz in Europa beteiligt. Schoof arbeitete mit Künstlern wie Albert Mangelsdorff, Peter Brötzmann, Mal Waldron, Irène Schweizer, der Kenny Clarke/Francy Boland Big Band, dem Gil Evans Orchester, den German Allstars und dem George Russell-Sextett zusammen. Außerdem wirkte er im Globe Unity Orchestra mit. Manfred Schoof war seit 1981 Dozent für Trompete und Jazzgeschichte an der Kölner Musikhochschule. Er wurde 1990 Professor an der Hochschule für Musik in Köln. Schoof ist Mitglied im Aufsichtsrat der GEMA, Vorstandsmitglied Deutscher Komponistenverband, Präsidiumsmitglied UDJ sowie Mitglied der DAAD-Auswahljury. Martin Hufner sprach mit dem international und national erfolgreichen Musiker und Komponisten über aktuelle Entwicklungen bei der GEMA und die Stellung des Jazz, über alte Hasen und junge Probleme. Auf der Jazzmesse jazzahead stellt sich Schoof am 19. März auf dem jazzzeitungs-Panel „Play Jazz – play global“ aktuellen Fragen in der Jazzausbildung.
jazzzeitung: Was ist für Sie eigentlich monetär oder musikalisch lukrativer, Ihre Tätigkeit als Jazzmusiker oder die als Komponist für Funk, Fernsehen und Film?
Manfred Schoof: Lukrativer ist natürlich das Komponieren für die Medien. Jazz ist leider immer noch eine Art Luxus, aber ideell der wichtigere Teil meiner musikalischen Tätigkeit. Wenn man einmal die Chance bekommen hat, auch was für Fernsehen oder Film zu schreiben, dann spürt man ziemlich schnell, dass es gut ist, zumal dann das Urheberrecht greift und dafür Sorge trägt, dass man für das, was man geschrieben hat, ein entsprechend zustehendes Entgelt bekommt.
Jazz in der GEMA
jazzzeitung: Gibt es besondere Schwierigkeiten, denen sich Jazzer im Gegensatz zu anderen Musikkünstlern bei ihrer Rechtewahrnehmung ausgesetzt sehen?
Schoof: Im Rahmen des Urheberrechtes werden sie genauso behandelt wie alle anderen auch. Allerdings finde ich, dass im Rahmen des Verteilungsplans der GEMA der zeitgenössische Jazz, wie er von den heute lebenden Musikern gespielt wird, noch immer unterbewertet ist. Wir haben vor einigen Jahren mit sehr viel Anstrengung erreichen können, dass es jetzt im Verteilungsplan der GEMA eine Höhereinstufung gibt, sofern diese Musik eine gewisse künstlerische Qualität hat. Vorher war es so, dass sie mit Schlagern oder Volksliedern gleichgestellt war.
jazzzeitung: Ihr Kollege Peter Brötzmann hat jüngst in einem Gespräch mit der „Berliner Zeitung“ die Struktur der Festivals insbesondere hier in Berlin kritisiert. Zur Programmierung meinte er: „Wer am meisten Geld mitbringt, macht das Rennen.“ Er meint damit die dänischen und finnischen Musiker, die offenbar eine besondere Musikexportförderung haben. Gibt es da für die deutsche Kulturförderung etwas zu lernen, oder ist das System nicht bankrott, wenn es nach Geld geht?
Schoof: Geld mitbringen würde bedeuten, dass diese Leute wahrscheinlich ihr Honorar in ihrem Land erhalten und hier umsonst auftreten können. Das hat die Festivalveranstalter sehr erfreut. Es sind im Moment im Rahmen der Bundesinitiative Musik Bemühungen eingeleitet worden, Ähnliches zu installieren. Ich finde, es ist richtig, dass diese Minderheitenkunst eine Förderung erfährt. Im Moment sieht es in einem reichen Land wie Deutschland entsetzlich traurig aus, was diesen Zustand betrifft. Das ist peinlich für die regionale Politik, für die Länderpolitik wie auch für die Bundespolitik. Es muss hier möglichst schnell etwas geschehen. Ich will hier das Beispiel der Spielstättenunterstützung nennen, die möglicherweise Clubs die Chance gibt, Künstler zu engagieren, die nicht von außen kommen, Geld mitbringen, sondern die wirklich bezahlt werden müssen und sollen! Das sind die landeseigenen Künstler, die im Nachteil sind. Deutschland ist nach wie vor eine große Musiknation. Auch die deutschen Jazzmusiker brauchen sich nicht verstecken hinter ihren ausländischen Kollegen. Sie sind hervorragende Leute. Da stimme ich Peter Brötzmann völlig zu, dass dieser Zustand unhaltbar ist.
Die Alten und die Jungen
jazzzeitung: Vielleicht ist es aber gerade die Förderung, die den Wettbewerb erst verzerrt. Das heißt, man müsste ein Förderungsverbot einführen. Klaus Doldinger fragte im Rahmen einer „taktlos“-Sendung mal, was die jungen Musiker alle hätten? Er hätte sich damals in den 50er-, 60er-Jahren durchbeißen müssen. Alles habe er sich selber erarbeiten müssen.
Schoof: Ich kenne das Argument von Klaus Doldinger. Aber die Situation hat sich geändert. Die jungen Künstler heute haben es schwerer, weil es viel mehr geworden sind. Zu meiner Zeit gab es vielleicht noch zwei, drei Trompeter, die ähnlich spielten wie ich, aber – ich weiß nicht, wieso – nicht so erfolgreich waren wie ich. Es gab zwei, drei Saxophonisten, einer davon war Klaus Doldinger, es gab noch den Gerd Dudek, Heinz Sauer, das war’s eigentlich schon. Die große Wiese war sehr viel leerer als jetzt.
Der große Druck
Jazzzeitung: Hatten Sie, die Generation der Doldingers und Kowalds, es vielleicht besser als die heutigen Jazzmusiker, die gerade am Anfang stehen und unter einem größeren Druck stehen? Die müssen schon mit 25 Jahren „gute“ Platten machen und Konzerte geben, so als ob sie 90 Jahre alt wären, so als ob sie ein volles Jazzleben hinter sich gebracht haben. Die jungen Leute kann man ja von diesem Druck gar nicht entlasten.
Schoof: Nein, das kann man nicht und das ist ja das Traurige. Aber das ist der Druck, der in Amerika eigentlich schon seit Ewigkeiten vorhanden ist. Wo die Künstler wirklich hart arbeiten müssen und wo es ja auch eine Art von Förderung gibt. Zwar nicht in staatlicher Weise, aber es gibt unglaublich viele Sponsoren und Förderer, wo sichtbare Förderung der Jazzmusik und der Kunst genau wie hier auch vorhanden ist. Nur hier haben wir die Möglichkeit, weil wir Gott sei Dank eine andere Tradition von Kunst haben, zu sagen, warum soll der Staat nicht auch was dazutun? Das ist nämlich was ganz anderes. Das ist Gott sei Dank so, und wir wollen wir auch, dass das so bleibt.
Ich habe gestern Abend ein Buch gekauft: Die drei Wünsche der Jazzmusiker von Baronin Koenigswarter. Sie hat fast alle amerikanischen Musiker gefragt: „Sag mir mal deine drei Wünsche.“ Es war sehr interessant, das zu lesen. Die meisten von ihnen sagten: Geld, Geld, Geld, viel Geld, Reichtum, dass meine Frau und meine Kinder leben können. Ich würde ihnen nicht übel nehmen, dass sie an so was denken, weil sie nur einen Wunsch haben.
Die meisten waren auch in der Lage, das auszuformulieren, manche sagten nur: Money, money, money oder was weiß ich. Dahinter stand eigentlich nur der Gedanke: Wie kann ich in Ruhe und sorgenfrei meine Musik machen? Wie kann ich mich auf meine Musik konzentrieren, ohne dass ich denken muss: Wo kriege ich das Geld für die nächste Miete her? Das ist der Urgedanke. Allein, weil ich sehe, wie traurig und wie notwendig das ist, wie erbärmlich das ist für solche großen Künstler zum Teil, auch bei Gil Evans und solchen Leuten, mit denen ich mal kurzzeitig gespielt habe. Ich könnte auch ein Beispiel nennen, wo ich mich gewundert habe, wie solche Leute denken. Einerseits total vergessen, dass sie ihre Rechte für Schallplatten anmelden, andererseits ihnen aber ein Dollar zu viel ist, um Trinkgeld zu geben.
Was aber nicht mit Geiz begründet ist, sondern mit der Tradition, in der sie aufwachsen, das heißt mit der Behinderung, die sie Zeit ihres Lebens ertragen mussten. Von daher der Wunsch: Ich möchte mal so frei sein, dass ich nur die Musik machen kann, die ich machen will und nicht irgendwas anderes. Deswegen ist das für mich auch ein Grund dafür, dass hier in Europa, wo wir sowieso anders darüber denken und diese Möglichkeit besteht, dass hier junge Künstler, sofern sie dieser Sachen bedürftig sind, diese auch bekommen. Dafür, finde ich, steht unsere Kultur.
Zuerst erschienen in JazzZeitung 2008/02