Wir wissen ja lange schon, dass die AfD ein Problem mit der Existenz von Kunst hat. Was sie unter Kunst zulässig findet, sollte irgendwie vor allem mit der Nationalbildung zu tun haben (Gottfried Backhaus: „Das Theater dient der Nationalbildung“). Eben dieser Backhaus, ehemaliger AfD-Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt, erklärte auf einer Podiumsdiskussion Ende 2016, dass man zur Vollendung dieses Zieles zum Beispiel auf die Auswahl der Stücke der Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt Einfluss nehmen wolle. Wie dies geschehen solle, wollte oder konnte er nicht beantworten.
Die AfD in Kassel hat da jetzt eine Lösung gefunden: Sie nennt Kunst, die sie in diesem Sinne misslungen findet, „entstellt“. Ein Schuss aus dem sprachlichen Schützengraben, der in bekannter Manier den Assoziationsraum in Richtung des Vorwurfes der „Entartung“ öffnet, ohne wörtlich sich darauf zu beziehen.
Konsistenz sollte man sich allerdings seitens der AfD-Programmatik nicht erwarten. Der Kulturbegriff der AfD in Sachsen äußert sich so, dass man sich „gegen einen Verordnungsstaat [wendet], der durch Fördermittel und Auszeichnungen in die Kulturproduktion eingreift“. So ein Schlamassel aber auch, der zugleich nicht ausschließt, dass man einen Verordnungsstaat befürwortet, der dann vielleicht durch Verbote und Abwertung in die Kulturproduktion eingreift. Im Grundsatzprogramm der AfD heißt es, man wolle den „Einfluss der Parteien auf das Kulturleben zurückdrängen“. Bis wohin, bitte? Und überhaupt: Wo? Der Einfluss von Parteien auf das Kulturleben ist doch minimal und kann sich nur auf die Ausstattung der Inneneinrichtungen von Parteieinrichtungen beziehen.
Man hält sich da die Türen eben in viele Richtungen offen, gerne dort, wo hinter der Tür ein Abgrund von gähnendem Unwissen sich auftut. Die AfD beherrscht die Kunst der Ambivalenz von Null-Aussagen in der Sache, damit man am Ende einfach das durchführen kann, was man wirklich will. Aber selbst das gelingt offenbar nicht, denn in der parlamentarischen Arbeit in den Landtagen versteckt man sich in den Schützengräben der Untätigkeit.
Je nun, mag man sich denken. Bei so viel Inkompetenz in der Sache, kann man das Kulturprogramm doch einfach übergehen und für irrelevant erklären. Leider aber ist Inkompetenz und Relevanzlosigkeit nicht gleichzusetzen mit politischer Willenslosigkeit. In einer kulturpolitischen Büchse, deren präzise Auswirkungen man nicht kennt, steckt das Unheil anarchischer Willkürentscheidungen. Sie können jeden alle Zeit und jeder Zeit treffen, sogar aus der eigenen Partei (siehe Gottfried Backhaus).
„Die Kunst ist frei“ lautet die fünfte These der Initiative kulturelle Bildung, der sich ein großes Bündnis aus Vertreterinnen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft, der Sozialpartner, der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Medien, der Bundesregierung, der Länder und der Kommunen angeschlossen haben und präzisiert: „In der Fähigkeit, Kunst zu schaffen und zu interpretieren, überschreitet der Mensch, wie die UNESCO formuliert, seine eigene Begrenztheit.“ Anders die AfD, die offensichtlich zurück will zu einer „deutschen“ Kunst in den Grenzen von 1939.
Zuerst erschienen in: neue musikzeitung Ausgabe:9/2017 – 66. Jahrgang
Weiterführende Informationen:
- Kurz-Schluss: Wie ich einmal dazu beitrug, in Deutschland dank der AfD wieder Zucht und Ordnung einkehren zu lassen
- AFD und Kulturpolitik – bitte nicht!
- Rechtspopulismus und klassische Musik III – Matthias Moosdorf (Musiker im Leipziger Streichquartett)
- Berliner AfD-Populitiker hat neue Oper von Richard Wagner entdeckt
- AfD für ihre Wählerinnen an sich uninteressant