Die erste Förderrunde des „Musikfonds“ wurde gerade abgeschlossen, die Bewerbungsfrist für die zweite endet Ende September. Jeweils 1,1 Millionen Euro wollen ausgeschüttet werden, beziehungsweise sind gerade ausgeschüttet worden. Maximal 50.000 Euro pro Projekt sind möglich. Von 459 Anträgen sind schlussendlich 86 in der ersten Runde ausgewählt worden.
Durchschnittlich entfielen somit 12.760 Euro auf die Projekte. Ein warmer Geldregen für die einen, ein Tropfen auf den kalten Stein für die anderen. Als der „Musikfonds“ von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters eingerichtet wurde, hegte sie die Hoffnung: „Ich bin überzeugt, dass wir damit entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung der vielfältigen zeitgenössischen Musikkultur in Deutschland geben können – über alle Grenzen musikalischer Genres hinweg.“ Sicher ist die Idee nicht schlecht, aber könnte es sein, dass man damit nicht zugleich ein bisschen den Begriff der Kultur umwertet? Kultur muss nachhaltig und verankert wachsen, damit sie ihre Wirkung entfalten kann. Jetzt also abgetwittert soll sie als Impulskultur die ersten Impulse setzen. Daran jedoch kann man 140 Zweifel haben.
Dafür spricht einiges. Zu den geförderten Projekten des Musikfonds zählen immerhin 36 Konzertanträge und acht CD-Produktionen. Erwartet man sich wirklich Impulswirkungen von CDs – mal das historische Jazzlabel „Impulse!“ (Coltrane, Mingus, Haden, Shepp…) ausgenommen? Nicht zuletzt befürchtet Musikfonds-Jury-Mitglied Stefan Fricke im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, „dass sich die institutionelle Förderung ziemlich aus unserem Gesellschaftsbild verabschiedet und zunehmend das Bild einer Projektförderung raumgreift. Das macht es für die Musiker nicht einfach, die müssen sich immer wieder neu erfinden, um dann mit ihren Anträgen, ihren neuen Projekten überhaupt Fuß fassen zu können.“ Eine andauernde Erfindung der Neuerfindung. Für wen macht man das überhaupt dann noch: für sich selbst, für den Musikfonds, für den Antragserfolg?
Stolpern ist auch nicht vorgesehen. Es gibt nur eine Bewegung zu den perfekten Fast-Food-Projekten. Das unterstreicht wider Willen sogar Musikratspräsident Martin Maria Krüger, wenn er sagt: „Dass nur knapp 20 Prozent der Anträge berücksichtigt werden konnten, spiegelt den hohen künstlerischen Anspruch des Fonds wider. Ich gratuliere herzlich allen Projekten und den dafür Verantwortlichen, die eine Förderung erhalten werden.“ Und die anderen sind dann „Looser“? Erfolg ist eben, wenn man Erfolg hat. Wie traurig muss das in den Ohren derer klingen, die knapp nicht in den Genuss der Musikfondsförderung gekommen sind.
Überblickt man die geförderten Projekte nach ihrer Lage im Land, so fällt auf, dass es offensichtlich Meltingpot Berlin am meisten an Impulsen zu mangeln scheint: 33 Projekte sind mit der Ortsangabe Berlin versehen. Es folgen Köln (18), Leipzig (7), Stuttgart (7), München (6), Frankfurt (4) und Hamburg (3). Andererseits bestätigt die Aufzählung die deprimierende Tatsache, dass nur da etwas gefördert werden kann, wo sich überhaupt etwas tut.
Es sei wirklich jedem einzigen Projekt seine Förderung nicht geneidet. Darunter sind ehrenwerte Projekte, die schon längere Zeit unterwegs sind und für ihren Fortbestand nun ein wenig Luft bekommen, wie die Trinkhallen-Tour-Ruhr. Stefan Pieper hat auf diese Initiative einen Blick im Online-Angebot unserer Zeitung geworfen: „Die Trinkhallen-Tour Ruhr ist auf Betreiben des damaligen jazzwerks ruhr als Projekt der freien Szene im Kulturhauptstadtjahr 2010 entstanden und hat – im Gegensatz zu vielen längst wieder verstummten großen Inszenierungen – überlebt. Sie ist sogar dank bereitwilliger Unterstützung durch kommunale Kulturbüros weitergewachsen.“ Aber es ist unter den geförderten Projekten auch eine CD-Produktion unter Federführung des Vorsitzenden der Union Deutscher Jazzmusiker, Gebhard Ullmann, dabei, einer Institution also, die zu den Gründungsmitgliedern des „Musikfonds“ zählt – das müffelt etwas. Gefördert werden übrigens auch zwei Projektanträge seitens zweier Landesmusikräte (Brandenburg und Niedersachsen), mithin also von Institutionen, die selbst fördern sollten. Und offenbar nicht können. Wie traurig das ist, muss man nicht eigens betonen. Man denke an den Verein Junge Musik e.V., der Mittel für ein „Ensemble der Länder“ beantragt und bekommen hat, ein Verein, der seit 2016 keinen Platz im Programm der Musiktage Hitzacker mehr erhalten hat und nun auf Spendenbasis arbeitet. Gleichzeitig beklagen wir den Abgesang einer Institution wie der Klangwerkstatt Berlin, die „noch“ durch das Raster solcher Förderungen zu fallen scheint.
Man soll nicht den Tag vor dem Abend verdammen. Vielleicht, mögen die Sterne uns günstig stehen, erfüllt sich mit dem „Musikfonds“ doch noch der Grütter’sche Traum „entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung der vielfältigen zeitgenössischen Musikkultur in Deutschland“ zu geben. Lang lebe der kategorische Konjunktiv.
Zuerst erschienen in nmz Ausgabe: 9/2017 – 66. Jahrgang