Das Europäische Parlament, die EU-Kommission und der Europäische Rat haben sich im Februar auf einen finalen Entwurf zur EU-Richtlinie für das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt geeinigt. Damit die Richtlinie noch vor der Europawahl im Mai in Kraft treten kann, müssen die Mitgliedsstaaten und das Parlament den ausgehandelten Kompromiss bis voraussichtlich Mitte April final bestätigen. Ob es so kommt, ist wahrscheinlich, aber nicht gewiss.
Der Deutsche Musikrat begrüßt die Einigung der Trilog-Verhandlungen und mit ihm sicher auch zahlreiche Urheberinnenverbände. Die GEMA hat sich in Person ihres Vorstandsvorsitzenden Harald Heker gemeldet: „Wir begrüßen die heute zwischen den EU-Institutionen erzielte Einigung zum Urheberrecht. Dank der Richtlinie müssen Online-Plattformen Urheber für die Nutzung ihrer Werke endlich fair bezahlen. Das ist seit Jahren überfällig. Dennoch kursieren in der Debatte weiterhin viele Falschinformationen. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten den Inhalt der Richtlinie in einer intensiv geführten Debatte ständig weiterentwickelt haben. Der jetzt vorliegende Entwurf der Richtlinie nimmt Online-Plattformen stärker in die Verantwortung und festigt zugleich die Position der Kreativschaffenden sowie der Internetnutzer. Für die Musikurheber wäre dies ein wichtiger Schritt, für den sich die GEMA seit Langem einsetzt. Nun ist das Europäische Parlament gefragt, grünes Licht für ein modernes Urheberrecht zu geben.“
Ärgerlich für die Gegner der Richtlinie. Als schlechte Verliererinnen rufen sie zum Sturm gegen die Richtlinie auf. Petitionen sind gestartet worden und haben die Bundesjustizministerin Katharina Barley erreicht. Erste spontane Demonstrationen haben etwa 1.000 meist jugendliche Teilnehmerinnen zum Beispiel in Köln auf die Straße gelockt. Für den 23. März sind weitere Demos europaweit geplant. Die Rede vom „Ende des freien Internets“ (Julia Reda, Piraten-Partei) wird dabei als Drohkulisse aufgebaut. Und das alles nur, weil Technikkonzerne wie YouTube und Facebook nicht in der Lage sein sollen, die Nutzung von urheberrechtlich relevantem Material zu lizenzieren und/oder ihre Nutzerinnen darauf aufmerksam zu machen, kein Material zu nutzen, für das sie keine Nutzungsrechte haben? Das glaubt einem in der ganzen Galaxie kein Mensch, außer beispielsweise Sascha Lobo, einem Kolumnisten beim SPIEGEL. Der meint, die Generation YouTube wird es der Großen Koalition heimzahlen: „Denn ich kann euch verraten, GroKos, die YouTuber machen gerade massiv mobil gegen die Urheberrechtsreform. (…) Und wisst ihr was, GroKos? Damals waren die millionenstarken YouTube-Öffentlichkeiten eher minderjährig, aber im Mai 2019 kann die Generation YouTube wählen. Und sie wird.“ Jetzt also Gnade den Kreativen vor der Macht der YouTuber/-innen. Als Netz-Hashtag hat man sich absurderweise den Slogan #niewiedercdu ausgesucht.Was werden diese wählen, wenn sie dann vielleicht wählen dürfen? Die PIRATEN? Oder die NPD?
Die Irrationalität der Diskussion macht beispielsweise ein Text in der Süddeutschen Zeitung deutlich, in welchem Simon Hurtz unter der Überschrift „Upload-Filter – Dieser Kompromiss gefährdet das freie Netz“ beklagt, dass mit der Einigung im Trilog-Verfahren Upload-Filter zur Gefährdung des freien Netzes führen sollen. Der Autor muss aber immerhin zugeben: In der Richtlinie „ist nicht explizit von ‚Upload-Filtern‘ die Rede. Aber …“ – aber wen interessieren schon Texte, wenn man sogar besser als die Betroffenen (YouTube etc.) weiß, welche Lösungen möglich seien. Besser wäre es freilich, in diese Hysterie nicht einzusteigen, sondern Argumente zu sammeln, die gegen eine endgültige Verabschiedung dieser EU-Richtlinie sprächen. Grundlegende Kritik kam schon vor über einem Jahr von zirka 170 unabhängigen Urheberrechtsexperten. Die Kritiker/-innen haben es schlicht versäumt, im Vorfeld und im politischen Einigungsprozess gewinnende Diskussionen zu führen.
Mit dem jetzt geschlossenen Kompromiss sind längst nicht alle Beteiligten zufrieden, wie es bei Kompromissen nicht ungewöhnlich ist. So sieht es auch Helga Trüpel, die für die GRÜNEN im EU-Parlament sitzt: „Das Ergebnis des Trilogs ist sehr gut für UrheberInnen sowie für den kreativen Sektor und die europäische Kultur- und Medienlandschaft insgesamt. Zugleich wurden die Bedenken der Reformgegner berücksichtigt: Zahlreiche Ausnahmeregelungen werden sicherstellen, dass vor allem nichtkommerzielle und private Angebote nicht unnötig beschränkt oder belastet werden. Zentrale Facetten der Netzkultur wie beispielsweise Memes werden von der Richtlinie unbehelligt bleiben. Mit dieser Reform wird das Internet frei bleiben und zugleich fair werden. Wie jeder Kompromiss ist auch dieser nicht perfekt, doch nach monatelangen und teils zähen Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission konnte heute das bestmögliche Ergebnis erzielt werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir – wie bereits bei der Abstimmung über die Parlamentsposition im September 2018 – für dieses sehr gute Verhandlungsergebnis eine deutliche Mehrheit im Parlament finden werden.“.
- Mehr zum Thema in der nmz unter dem Stichwort „EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“
Zuerst erschienen in: nmz, Ausgabe 3/2019 – 68. Jahrgang