Die Corona-Pandemie hat nicht zuletzt, sondern eigentlich sogar zuerst das Kunst- und Kulturleben durcheinandergewirbelt, beziehungsweise seit März zum Erliegen gebracht. Es brach fast über Nacht zusammen, insbesondere der Musikbereich, selbst in dem Sektor, der vollkommen erregerresistent zu sein schien, dem Tonträgermarkt. Was ist da nur los?
Verschwindet mit der lebendigen Kunstausübung zugleich das allgemeine Interesse an der Teilhabe an Kunst? So bedauerlich viele es finden, nicht in Konzerte und zu Musikveranstaltungen gehen zu können, so häufig stellt man in der aktuellen Auftauphase fest, dass selbst Konzerte mit wenigen Plätzen nicht immer ausverkauft zu bekommen sind.
Der Wunsch zur Rückkehr nach Normalitätshausen ist stärker als der nach einer Veränderung für eine bessere Zukunft. Zurück zur Normalität würde bedeuten: weiterer Abbau der Kulturprogramme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk; weiterer Abbau des Kunst- und Kulturunterrichts an den Bildungsstätten; Verewigung prekärer Arbeitsverhältnisse auf dem freien Kunstmarkt; weiterhin Verelendung mit Produkten menschenverachtender Musik aus den Werkstätten populistischer Tonkunst- und Texttöter. Damit auf dem vermodernden Bodensatz umso schöner die Leuchttürme der Hochkultur den Schein menschlicher Kultiviertheit hochhalten können?
Große und kleine Kunst sind dagegen immer eine riskante Wette auf die bessere Zukunft. Unsicherheit und Verunsicherung sind daher das Wesen aller Kunst. Billiger ist das nicht zu haben – außer von der Blödmaschinen-Industrie geliefert, für die die Erzeugung von konformistischer Normalität das Geschäftsmodell ist.
Zuerst erschienen in nmz Ausgabe: 10/2020 – 69. Jahrgang