Man darf wohl auch einmal seine Verwunderung darüber äußern, mit welcher Vehemenz aktuell in Zeiten der Coronapandemie und eines Lockdowns über Schulöffnungen und -schließungen diskutiert wird. Plötzlich sollen ganze schulische Lebensläufe in sich zusammenbrechen und uneinholbare Bildungslücken ganzer Generationen von Kindern und Schüler*innen die Folge sein? Sicher? Sicher nicht!
Mindestens die letzten 40 Jahre hat sich kaum jemand für sinnvolle Schulstoffe und -reformen interessiert. Da wurden großflächig Menschen als Beschulungsmaterialien geschoben, wie es gerade passte (MSA, G8, und zurück). Es wurden die Schulen in marode bauliche Zustände überführt, indem man sich einen Dreck dafür interessierte.
Und jetzt wird Schule als Kern der Menschwerdung in Form eines Zulieferbetriebs für die Wirtschaft (!) und als Herstellungssystem einer kommenden Konsument*innenmasse definiert. Um Kinder oder Schüler*innen geht es da doch nicht, sondern um die Wiederherstellung des schlechten Systems fortschreitender Disziplinierung zu Egoist*innen. Auch jetzt interessiert sich niemand für Bildung und Erziehung, sondern nur für Abwicklung von Menschen in meistenteils schlecht ausgestatteten Ausbildungsmaschinen mit zudem vollkommen neoliberal geistig entleerten Lehrplänen, bei denen es am Ende nur darum geht, Absolvent*innen irgendeine Bewertung zu erteilen. Abschlussnoten sind ja auch so wichtig, obwohl die Lebensläufe der Schüler*innen alles andere als vergleichbar in Voraussetzung und Durchführung sind: Ideologie muss aber sein, wenn es um Eltern- und Wirtschaftsschutz geht – Zentraldummheiten in 16 verschiedenen föderalen Farben sind nicht hilfreich.
Da passt es vielleicht nur zu schlecht, dass genau das Medium in diesen Zeiten fehlt, das neben engagierten Lehrer*innen und Schulleiter*innen sowie Eltern für hierarchie- und herrschaftsfreie Kommunikation sorgen könnte: die Musik und ihr schulisches Fach. An inklusiver Musik-, Kunst- und Expressionspädagogik ließe sich gerade jetzt so viel lernen. Vorausgesetzt man ließe es direkt nach Öffnung von Schulen wieder zu. Doch noch schlimmer als die Schließung der Schulen ist offenbar deren Öffnung zu fürchten, denn es gilt ja die Weisung aus den Büros der Kultusministerien, die ganzen neoliberalen Dummheiten wieder aufzuholen und den Wettbewerb, statt menschlicher Solidarität zu stärken.
Zuerst erschienen in nmz Ausgabe: 2/2021 – 70. Jahrgang