Es dürfte den meisten am Allerwertesten vorbei gegangen sein: Die Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, zum Haushaltsgesetz 2023 vor dem Deutschen Bundestag am 8. September 2022 in Berlin. Das wäre ein schwerer Fehler, denn ihre an dieser Stelle dargebotene Agenda ist bildungsfeindlich, kulturell ignorant und inhaltlich dumm.
Die Rede dieser „Liberalen“ trennt alle kulturelle Kompetenz heraus aus der Vorstellung von Bildung in einer modernen Gesellschaft. Restlos. Kein Wort dazu. Stattdessen Plattitüdenungetüme wie: „Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Den Datenschatz zu heben, das ist eine große Chance auf Fortschritt – wirtschaftlich, wissenschaftlich und gesellschaftlich. Kurz: die Chance auf Fortschritt für uns alle.“
Nein, Frau Bildungsministerin, Daten sind längst Rohstoff der Gegenwart, waren dies in der Vergangenheit ebenso. Aber sie sind ganz sicher nicht „der“ Rohstoff, sondern „einer“ neben anderen. Wer Bildung und Forschung nur noch als Datenschürfung auffasst und daran den Fortschritt bemisst, hat eine Zukunft im Auge, bei dem eines überflüssig ist: die Menschen.
Noch deutlicher wird das an dieser Stelle: „Wir stärken die MINT-Fächer mit dem Aktionsplan 2.0. Denn ob Klimawandel, Digitalisierung oder Energiekrise: Fast alle großen Herausforderungen unserer Zeit sind an MINT-Kompetenzen gebunden; wir brauchen sie dringend.“ Wenn man diese braucht, so vor allem, um zu erkennen, wann die Politik einem eine 1 für eine 0 vormacht. Den meisten von uns würde es vollkommen genügen, wenn diese Kompetenzen bei den politischen Entscheidungsträgern genügend ausgebildet wären. Die Probe aufs Exempel möchte man lieber nicht machen.
MINT hin, Kunst her. Die Bedingungen für ein Lernen welcher Art auch immer sind leider nicht nur in Sachen Lüftung und Heizung in diesen Zeiten schwierig. Der marode Zustand zahlreicher Bildungseinrichtungen ist ja nicht mal geeignet, überhaupt ein Lernen unter freien Bedingungen zu ermöglichen. Das aber ist es, was wir zuerst brauchen, bevor man musiziert oder Differenzialrechnung betreibt. Orte, an denen man überhaupt leben und lernen kann ohne Angst. Aber wahrscheinlich gilt auch hier bei Ihnen, Frau Bettina Stark-Watzinger, Angst regelt der Markt. Nicht Ihr Ding, was interessiert Sie schon Long-Doofid?
Zuerst erschienen in nmz Ausgabe: 10/2022 – 71. Jahrgang