Sind Stipendien, die im Rahmen des Bundesprogramms NEUSTART KULTUR an Künstlerinnen und Künstler vergeben wurden, steuerpflichtig? Die Frage ist absurderweise nicht eindeutig zu beantworten und das verunsichert viele, die Förderungen aus diesem, an sich gut gedachten, Programm erhalten haben. Denn die einen sagen so, die anderen sagen so.
Was man zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher sagen kann: Sofern es sich um Förderungen handelt, die über Verwertungsgesellschaften vergeben worden sind, sind diese so erzielten Einnahmen nicht einkommenssteuerpflichtig. Das sind beispielsweise Förderungen über die GEMA, die VG Wort, die VG Bild-Kunst, GVL … So erklärt die VG Wort auf ihrer Website:
„Das Bundesfinanzministerium hat gegenüber der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erklärt, dass die Bezüge aus dem Stipendienprogramm der Verwertungsgesellschaften, die auf Grundlage des Bundesprogramms ‚NEUSTART KULTUR‘ gewährt wurden, nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei sind. Diese Entscheidung erging in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder. Die Gewährung dieser Steuerbefreiung liegt in der Zuständigkeit der Wohnsitz-Finanzämter der Stipendienempfänger. Wenden Sie sich für die Bestätigung der Steuerbefreiung direkt an Ihr Wohnsitz-Finanzamt.“
In der Antwort des Musikfonds über die steuerrechtliche Bewertung aus deren Stipendienprogrammen, die sie dem Finanzamt für Körperschaften Berlin stellten, liest man dagegen
„(…) es sich bei den Mitteln, die der Musikfonds e.V. zahlte, um Mittel aus dem Bundesprogramm NEUSTART KULTUR handelt und somit die Steuerbefreiung nach §3 Nr. 44 EStG nicht in Betracht kommt. Diese Mittel wurden im Rahmen der Corona-Hilfen aus einem Sonderfonds des Bundes gezahlt und fallen daher nicht unter den Anwendungsbereich des §3 Nr. 44 EStG.“
Andererseits erklärt das angefragte Finanzamt:
„Die Stipendien können hingegen steuerfrei nach §3 Nr. 11 EStG sein. Die Gewährung dieser Steuerbefreiung liegt in der Zuständigkeit des Wohnsitzfinanzamtes des Stipendienempfängers.“
Ähnliches liest man in den Antworten auf die Frage nach Steuerfreiheit beim Deutschen Musikrat:
„Wir können und dürfen die individuelle Steuerpflicht jedes*r Einzelnen nicht beurteilen. Das Stipendium ist ein zweckfreies Stipendium, also kein Arbeitsstipendium und kommt direkt aus öffentlicher Hand. Daher ist es in der Regel steuerfrei. Bitte besprechen Sie Ihre persönliche Situation mit Ihrem zuständigen Finanzamt oder Ihrem*Ihrer Steuerberater*in.“
Steuerfreiheit kann sein, muss aber nicht – ein Unterschied zu den Förderungsleistungen oder zum Charakter der Stipendien, die über die Verwertungsgesellschaften gewährt wurden, ist nicht ersichtlich. Mittlerweile gibt es bereits ein Urteil eines Finanzgerichts (das uns vorliegt), bei dem in einem ähnlich gelagerten Fall („Stipendien-Sonderprogramm 2020“ der Senatsverwaltung für Kultur und Europa), eine Steuerpflicht bejaht wurde.
Das ist im Ergebnis unbefriedigend. Über die Stipendienprogramme des Musikfonds (Stip-I bis Stip-II) wurden immerhin insgesamt über 4.000 Stipendien vergeben, hinzukommen die Stipendien, die über den Deutschen Musikrat verteilt wurden, sowie auch solche aus allen anderen Bereichen der Kultur. Aktuell ist es noch so, dass es auf die Sachbearbeiter*innen der zuständigen Finanzämter ankommt, ob sie diese Steuerfreiheit gewähren oder nicht. Sinnvoll wäre aber eine Klärung auf höchster Ebene zwischen dem Beauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und des Bundesfinanzministeriums (BMF) wie sie auch in Sachen Verwertungsgesellschaften getroffen worden ist.
Aktuell kommt dabei offenbar Bewegung in den unhaltbaren Zustand. Auf unsere Anfrage hin antwortet ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Claudia Roth wie folgt:
„Die Ausreichung von Stipendien im Rahmen der Hilfsprogramme von NEUSTART KULTUR verfolgte im Unterschied zu sonst üblichen Projektförderungen das Ziel, in der Zeit von Einschränkungen durch die Corona-Pandemie künstlerisches Arbeiten, Forschen und Entwickeln auch ohne den Zwang einer Umsetzung in konkreten Ergebnissen (Konzerte, Publikationen etc.) zu ermöglichen. Sie sollten Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit geben, sich künstlerisch weiterzuentwickeln und im Beruf tätig zu bleiben. Die Fördergrundsätze wurden daher in Anlehnung an andere Stipendien grundsätzlich als steuerbefreit konzipiert. Die unterschiedliche Handhabung der Steuerbefreiung durch die zuständigen örtlichen Finanzbehörden ist uns ebenfalls bekannt geworden. Da einzelne Stipendien im Rahmen von NEUSTART KULTUR bereits ausdrücklich als steuerbefreit anerkannt wurden, unterstützt die BKM Bitten aus dem Kreise der Betroffenen (hier ist der Präsident des Deutschen Musikrates aktiv geworden) an das BMF um entsprechende weitere Klarstellung gegenüber den Finanzbehörden.“
Aufgrund unserer Nachfrage beim Präsidenten des Deutschen Musikrats, Martin Maria Krüger, wird man davon ausgehen dürfen, dass der Ball mittlerweile bei den zuständigen Stellen im BMF zur endgültigen Bearbeitung liegt, somit das Problem aus der Welt geschafft werden kann und wir spätestens in der nächsten Ausgabe der nmz berichten können, dass dann die Finanzämter rechtssicher zu Gunsten der durch die NEUSTART KULTUR begünstigten Stipendiaten entscheiden müssen.
- Zuerst erschienen in nmz Ausgabe: 3/2023 – 72. Jahrgang