Was gibt es schöneres als Kinder und Jugendliche, die sich musikalisch kreativ betätigen und dabei einer guten Sache dienen. Auch in diesem Jahr gibt es – jetzt in der fünften Ausgabe – den Wettbewerb für Menschen zwischen 10 und 25 Jahren mit Wohnsitz in Deutschland oder dem globalen Süden mit dem Namen „Dein Song für EINE WELT!“.
Dieser Song Contest wird von Engagement Global gGmbH – Service für Entwicklungsinitiativen im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchgeführt. Unterstützt wird dieser Contest unter anderem Urheberrecht, GEMA, Kinderarbeit, vom Verband deutscher Musikschulen, dem Lugert Verlag und der Bertelsmann Stiftung, gefördert wird er von der Kultusministerkonferenz. Die Schirmherrschaft hat unser Bundespräsident übernommen.
Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze findet noble Worte für diesen Wettbewerb: „Der Song Contest ist der erste und einzige entwicklungspolitische Musikwettbewerb. Er ergänzt den Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik ‚Alle für Eine Welt – Eine Welt für alle‘ auf musikalische Art und Weise. Denn Musik ist eine Sprache, die alle verstehen. Sie bewegt und verbindet Menschen über Grenzen hinweg. Diese einzigartige Kraft der Musik will ich mit Eurer Hilfe für einen besonderen Zweck nutzen: nämlich um mehr Aufmerksamkeit für die Agenda 2030 der Vereinten Nationen und die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu schaffen.“
Als Dank für dieses Engagement winken Preisgelder in Höhe bis maximal 1.000 Euro und ewiger Ruhm plus Dankbarkeit. Allein, es gibt einen kleinen Haken: Mitglied einer Verwertungsgesellschaft wie der GEMA darf man bitte nicht sein, es sei denn man weist eine Ausnahmegenehmigung nach. Ansonsten gilt: „Die Teilnehmenden räumen Engagement Global die räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten Nutzungsrechte, einschließlich des Rechts zur Bearbeitung und Verbreitung der eingesandten Fotos, Texte, Videos und Tonaufnahmen im Zusammenhang mit dem Song Contest ein.“ Das ist ja wunderbar, wenn die jungen Menschen, die an diesem Wettbewerb teilnehmen, sofort sehen, dass er sie auf das Leben vorbereitet, welches sie mit der Teilnahme an diesem Contest bekämpfen sollen, weil es um die Schaffung fairer Arbeitsbedingungen oder die Stärkung von Organisationen wie Gewerkschaften geht.
Die Begründung, die das Ministerium auf Nachfrage mitliefert, ist bestürzend banal. Auf unsere Anfrage antwortete eine Sprecherin des Ministeriums unter anderem: „Engagement Global ist eine aus Steuermitteln finanzierte Organisation und damit an haushaltsrechtliche Vorgaben gebunden. Nicht kalkulierbare Ausgaben wie eine langfristige monetäre Verpflichtung durch die Abgabe von Gebühren für die Veröffentlichung der Gewinnersongs widersprechen der zweckbestimmten Nutzung öffentlicher Gelder, wozu Engagement Global gegenüber dem BMZ verpflichtet ist.“ Diese Kosten wären allerdings durchaus kalkulierbar – nur müsste man dazu bei der GEMA entsprechend anfragen. Dieses Angebot hat es seitens der GEMA nämlich gegeben, aber wahrgenommen hat man es nicht.
Wir haben daher bei der GEMA noch einmal nachgehakt. Die Antwort: „Insgesamt entsteht somit der Eindruck, als wären sich die Verantwortlichen nicht über den Schutz Geistigen Eigentums, die Mechanismen der angemessenen Vergütung und die besondere Rolle der GEMA und der kollektiven Rechtewahrnehmung bewusst. Vielmehr sehen die Teilnahmebedingungen einen mit dem deutschen Urheberrecht nicht zu vereinbarenden, unentgeltlichen total Buy-out vor. Ein solcher Buy-out wäre aber überhaupt nicht notwendig, da ausufernde Kosten auch bei Werken von GEMA-Mitgliedern nicht zu befürchten sind. Aufgrund laufender Lizenzverträge mit so genannten Host-Providern wie Youtube und Soundcloud fallen für die Veranstalterin keine weiteren Kosten an, sollten Lieder auf diese Plattformen hochgeladen werden. Gleiches gilt für Content-Provider wie Spotify und Co. Für alle weiteren Nutzungen lassen sich mögliche Lizenzgebühren im Vorfeld beziffern.“
Zugleich wird mit diesem Verhalten des Ministeriums ein Lerneffekt verbunden. Organisiere dich bloß nicht in Institutionen, die deine Rechte wahrnehmen könnten. Diese Lektion kann man nicht früh genug lernen. Ein Sprecher der GEMA dazu: „Entscheidend ist, dass bei diesem Wettbewerb die entwicklungspolitische Bildungsarbeit im Vordergrund steht und der Wunsch, dass die Teilnehmenden etwas über diese Aspekte im Rahmen der kreativen Ausarbeitung lernen und weiter vermitteln. Mit Bezug auf das Urheberrecht und den Wert kreativer Leistungen wird hingegen ein negativer Lerneffekt verknüpft: Mit der Teilnahme müssen die Nutzungsrechte umfassend übertragen werden, damit keine weiteren Kosten für Rechte und Lizenzen bei der Veranstalterin anfallen. Dies führt aber auch dazu, dass keine angemessene Vergütung der Kreativen erfolgt, weil es einem Buy-Out zum Nulltarif gleichkommt. Ein nicht hinnehmbarer Sachverhalt und Lerneffekt für die Teilnehmenden. Zumal es einen breiten politischen Konsens gibt, dass kreative Leistung ganz grundsätzlich angemessen vergütet werden muss.“
Wir haben auch das Bundeskulturministerium angefragt, wie es zu diesem Sachverhalt stehe. Ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) kennt den ‚Eine Welt Song Contest‘ und begrüßt die Grundidee, Kinder und Jugendliche dazu aufzurufen, eigene Songs zu schreiben und zu komponieren. Aber die BKM fördert den Wettbewerb nicht und kann daher nicht weiter dazu Stellung nehmen. Bitte wenden Sie sich an das zuständige BMZ.“ Das heißt: Kopf in den Sand stecken. Da lösen sich die hehren Worte aus dem Koalitionsvertrag: „Beim Urheberrecht setzen wir uns für fairen Interessenausgleich ein und wollen die Vergütungssituation für kreative und journalistische Inhalte verbessern, auch in digitalen Märkten“ in Luft auf. Denn das gilt nur für andere, nicht für uns.
Da der Song Contest als eine Begleitmaßnahme zum Schulwettbewerb zur Entwicklungspolitik „Alle für Eine Welt – Eine Welt für alle“ unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten“ (O-Ton: „Ich bin für die GEMA die Künstlerinnen und Künstler brauchen sie“) steht, haben wir auch dort nachgehakt. Erraten Sie die Antwort? Null Reaktion. Kreative dürfen im Schloss Bellevue gerne mal „rumbrönnern“, aber in Verantwortung sieht man sich nicht. Dem vorgeschobenen Haushaltsunrecht sei Dank.
- Zuerst erschienen in nmz Ausgabe 4/2023 – 72. Jahrgang